Cover
Titel
Policing the Roman Empire. Soldiers, Administration, and Public Order


Autor(en)
Fuhrmann, Christopher J.
Erschienen
Anzahl Seiten
XXIII, 330 S.
Preis
£ 45.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Josef Löffl, Pfaffenhofen an der Ilm

Das beliebte Genre historischer Kriminalromane macht auch vor der römischen Geschichte keinen Halt. Folgt der Leser den in antike Kontexte gekleideten Detektivgeschichten wie etwa der Buchreihe SPQR von John Maddox Roberts, erweckt es oftmals den Anschein, als ob das Innenleben des Imperium Romanum ohne weiteres direkt mit dem heutiger Staaten vergleichbar wäre. Dass dem aber nicht so ist, kann durch Studien wie der unlängst von Christopher J. Fuhrmann vorgelegten Monographie „Policing the Roman Empire“ belegt werden, die sich mit einer Frage auseinandersetzt, welcher der genannte belletristische Typus nur allzu gerne inhaltlich auf Grund seiner Komplexität aus dem Wege zu gehen versucht: Kann man von einer römischen Polizei sprechen?

Bevor ich auf den Inhalt der äußerst lesenswerten Ausführungen Fuhrmanns eingehe, erlaube ich mir einen kurzen Blick auf handwerkliche Gesichtspunkte: Die 330 Seiten umfassende Publikation beinhaltet neben einer umfangreichen Bibliographie (S. 252–293) sowohl einen Quellenindex (S. 295–318) als auch einen Orts-, Personen- und Sachindex (S. 319–330), was sie als Nachschlagewerk prädestiniert. Im ersten von neun Kapiteln weist Fuhrmann zunächst daraufhin, dass man in der römischen Geschichte nicht von einer Polizei sprechen kann, wie sie im modernen Sinne seit dem 19. Jahrhundert existiert, sondern von polizeilichen Aufgaben ausgehen muss (S. 6), zu denen Schutzfunktionen (etwa als Leibwächter), Funktionen als Exekutive des Rechtsstaates (so etwa die Ermittlungen in Strafsachen) und die Funktion als Gewaltmittel (etwa Repressionen gegen Christen) zählen. In der auf institutionelle Polizeiaufgaben in der Zeitspanne vom Beginn des augusteischen Prinzipats bis zum Ende der Regierungszeit Valerians fokussierten Monographie verfolgt der Autor die These, dass die oftmals in der Literatur anzutreffende Idee von lokalen Notlösungen im Bereich polizeilicher Funktionen nicht mit den Tatsachen in Einklang zu bringen ist, dass nachweislich im Laufe der Kaiserzeit der Staat immer stärkere Vorsorge für diese Bereiche übernimmt und dass die verschiedenen Ebenen dieser Aufgaben – etwa militärische und zivile Polizeimaßnahmen – nicht trennscharf sind. Problematisch für die Untersuchung dieses Themengebiets ist vor allem die Tatsache, dass sich kein uns überlieferter antiker Text mit dem Phänomen Polizei in seiner Gänze auseinandersetzt (S. 15f.).

Der Themenbereich der Verfolgung flüchtiger Sklaven steht im Mittelpunkt des zweiten Kapitels (S. 21–43). Fuhrmann führt darin aus, dass die Wahrung der Rechte des Sklavenhalters ein essentieller Bestandteil des römischen Ethos in der Kaiserzeit war (S. 24) und der fugitivus bzw. die Flucht von Sklaven einen gängigen Topos in der römischen Literatur bildet (S. 26). Inhaltlich bedient sich der Autor historischer Analogien, so beispielsweise zur frühchristlichen Literatur, in der Sklaven dazu angehalten werden, nicht von ihrem Herrn zu fliehen (S. 27), oder zu den Methoden der Sklavenhalter im amerikanischen Süden, die sich ebenso wie ihre römischen Pendants eigens abgerichteter Hunde für die Jagd nach Sklaven bedienten (S. 28f.). Fuhrmann kommt hier zu dem Schluss, dass bezüglich der Verfolgung flüchtiger Sklaven alle Ebenen römischer Polizeifunktionen koordiniert zusammenwirkten (S. 43).

Im Kapitel „Self-help, Magisterial Authority, and Civilian Policing“ (S. 45–87) behandelt Fuhrmann die Besonderheiten des Innenlebens der römischen Gesellschaft, in der Religion und Aberglaube wichtige Kontrollfunktionen übernahmen (S. 46–49) und die familia als Organisation mit eigener rechtlicher Ordnung fungierte (S. 49–52). Fuhrmann geht dabei ferner auf die Aufstellung von irregulären Bürgerwehren durch Kommunen als Mittel der Banditenbekämpfung und auf reguläre Milizen (S. 55–58) sowie auf die Rolle von lokalen Magistrate (S. 58–61) und von servi publici (S. 61–66) ein. Gerade die Uneinigkeit und der ständige Wettbewerb unter den Eliten limitierten die Möglichkeiten ziviler Polizeifunktionen enorm, so das Fazit der Studie zu diesen Aspekten.

Fuhrmann befasst sich im folgenden Kapitel (S. 89–121) mit der Konsolidierung von Ruhe und Ordnung im Imperium Romanum seit Augustus und geht dabei der Frage nach, ob das Wirken eines Kaisers reale Auswirkungen auf die Sicherheit und Ordnung in Rom und in den Provinzen hatte (S. 92). Die inneren Maßnahmen zur „Befriedung“ des ersten princeps fußten vielfach auf Vorgängen in der Republik (S. 93–99), in denen staatliche Gewalt zur Anwendung kam (etwa in der Bekämpfung der Catilina-Verschwörung), und vor allem auf dem Paradigmenwechsel durch den dictator Caesar. Augustus seinerseits war der Initiator der Detachierung von Soldaten als Schutztruppen und der Einrichtung von Polizei-Station in ganz Italien (S. 99–103), was erst durch seine Umwandlung der Revolutionsheere in eine professionelle Berufsarmee möglich wurde, die in der Folge auch als Polizeitruppe Verwendung fand. Durch die Etablierung der Prätorianer und der cohortes urbanae legte Augustus den Grundstein für die Kontrolle seiner Nachfolger über Rom (S. 113–118). Von nun an war die Erwartungshaltung der Bevölkerung gegenüber dem Kaiser, dass dieser auch für die innere Sicherheit zu sorgen hatte (S. 120f.).

Das Kapitel „Military Policing in Rome and Italy under Augustus’s Successors“ (S. 123–145) setzt die Überlegungen des vorangegangenen Abschnitts nahtlos fort und behandelt die Nachfolger des Augustus, welche die von diesem geschaffenen Einrichtungen im Polizei-Bereich weiter nutzten – und das nicht nur zur Wahrung der öffentlichen Ordnung, sondern auch um persönliche Feinde zu eliminieren (S. 125). Zum Teil entwickelten sich Einheiten wie die Prätorianer nun zum Damoklesschwert für die Kaiser, wie Fuhrmann etwa mit Hilfe der Sejan-Episode nachweist. Ein wesentlicher Einschnitt erfolgte hier erst unter Septimius Severus (S. 130), der zudem die legio II Parthica in unmittelbarer Nähe Roms als besonderen Schutz stationierte (S. 132). Insgesamt kommt der Autor hier zu dem Schluss, dass die Beziehungen zwischen Kaiser und Untergebenen wechselseitig von Furcht geprägt waren, gegen die auch eine starke Polizei-Truppe nichts auszurichten vermochte. Im folgenden Abschnitt „Emperors and Provincial Order“ (S. 147–169) setzt sich Fuhrmann unter anderem mit der Geschichte der frumentarii auseinander (S. 151–157) und behandelt die Umsetzung von staatlichen Restriktionen wie die Verfolgung von Christen in den Provinzen.

Die paradoxe Situation, dass es sich bei römischen Provinzstatthaltern zwar um die mächtigsten Entscheidungsträger vor Ort in den provinciae, zugleich aber auch um „verfahrenstechnische“ Amateure handelte, steht im Mittelpunkt des siebten Kapitels, in dem der Aspekt der Korruption (S. 177–186) und die Rolle der Statthalter bei der Verbrechensbekämpfung thematisiert werden. Fuhrmann zieht hier das Fazit, dass zwar ein Provinzstatthalter über Truppen verfügte, die Polizei-Funktionen wahrnehmen konnten, dass dies aber keineswegs dazu ausreichte, allgegenwärtig entsprechende Schutzfunktionen auszuüben, was eben auch de facto rechtsfreie Räume zuließ (S. 199f.).

Im Kapitel „Detached-Service Soldier-Police“ (S. 201–238) vermittelt Fuhrmann dem Leser einen Überblick über Möglichkeiten und Vorgänge der Detachierung von Soldaten in zivile „Sphären“, um dort Polizeifunktionen wahrzunehmen. Im Detail behandelt Fuhrmann diesbezüglich etwa die Rolle der beneficiarii consularis (S. 204–207) und der regionarii (S. 222f.); dabei legt er dar, dass entsprechende Detachierungen keineswegs unproblematische Auswirkungen auf die soziale Interaktion von Militärs und Zivilisten hatten (S. 228–237). Im abschließenden Fazit (S. 239–247) der Studie bekräftigt Fuhrmann seine Position, dass eine römische „Polizeigeschichte“ auf das Engste mit der Geschichte der römischen Armee verknüpft ist, und kommt zu dem Schluss, dass die voranschreitende Institutionalisierung von Polizeifunktionen in der von ihm behandelten Zeitspanne eine Stütze der Kaiserherrschaft formierte.

Fuhrmann versteht es, komplexe Sachverhalte in einem nüchtern-sachlichen Stil sauber gegliedert darzustellen. Es macht schlichtweg Spaß, dieses Buch zu lesen, das aus einem reichen Repertoire an Quellen schöpft. Insbesondere ist diese Monographie jedem zu empfehlen, der sich mit römischer Sozialgeschichte oder mit dem exercitus Romanus auseinandersetzt.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension